Loslassen
Loslassen, Erinnern, Festhalten
"Erinnern an jenes, was einst unsere Seele erblickte" (Platon)
Manche möchten loslassen, andere müssen es. Befragt man zu beiden Anliegen das Internet, so tut sich ein kleines Universum an Informationen, Büchern, Blogs und Banalem auf.
Loslassen ist gefragt und steht hoch im Kurs. Schamanen, Psychotherapeuten und Buchautoren fühlen sich berufen, die vielen Fragen zu beantworten und der Angst vorm Loslassen das Bedrohliche zu nehmen. Die gute Nachricht - wer los lassen will, ist nicht alleine und trinke im Ernstfall einfach mal eine Tasse Tee ("im Geschmack blumig-zitronig und leicht erfrischend"), besuche eine Yoga-Stunde und trainiere den Hüftöffner (um sich Klarheit über "warum, was und vor allem wie" zu verschaffen) oder nehme die "Loslassen-Schwingungsessenz" ein, die von einem Klostergut vertrieben wird.
Ich selbst erlebte das Loslassen in Form von intensiver Wahrnehmung - mit den Augen, mit der Kamera, vor allem aber emotional. Nicht nur ein Blick kann durchdringend sein, sondern auch Gefühle. Und wenn es dann einem gelingt, das in Bilder zu übersetzen, dann ist man dem Vorhaben "Loslassen" ein Stück näher gekommen und das Festhalten kann beginnen.
Um etwas mit der Kamera festzuhalten und aufzunehmen ist zuvor das Sehen notwendig. Jedes Sehen kann auch ein Wiedersehen sein. Aber nur dann, wenn etwas oder jemand uns zuvor bereits angesprochen, uns gesehen hat und in uns Resonanz erzeugen konnte. So passierte es mir mit Topflappen, Kaffeetassen, Postkarten, handgeschriebenen Kochrezepten, Werkzeug, Möbel, Kleidung und nicht zuletzt Fotografien.
Zuletzt heißt loslassen aber auch erinnern. Das italiensche Wort dafür ist "ricorda", es leitet sich von "ins Herz zurückkehren" ab. Meine Kamera ermöglichte mir das und das fand ich überaus tröstlich, als meine Eltern verstarben.